Neues aus dem Verband

M+E-Branche fürchtet dauerhafte Belastungen durch Russland-Ukraine-Krieg

Massive Kostensteigerungen und erneutes Rezessionsjahr erwartet

Saarbrücken/Berlin. Die wirtschaftlichen Auswirkungen des Russland-Ukraine-Krieges sind für die Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie (M+E-Industrie) im Saarland ebenso wie in den übrigen Bundesländern sehr deutlich zu spüren. Obwohl der direkte Geschäftskontakt mit Russland, Belarus und der Ukraine gering ist ­– nur zehn Prozent der Unternehmen im Saarland geben an, Kontakt in substanziellen Umfang zu haben – werden vor allem indirekte Folgen wie Kostensteigerungen erhebliche Auswirkungen nach sich ziehen.

Bereits jetzt ist abzusehen, dass aufgrund der stark gestiegenen Energiepreise die Kosten in der gesamten Wertschöpfungskette ansteigen werden: 69 Prozent der M+E-Unternehmen in Deutschland erwarten Kostensteigerungen im Einkauf. Bereits jetzt erwarten rund ein Drittel der Unternehmen im Saarland und knapp die Hälfte der Unternehmen in Deutschland Umsatz- und Gewinnrückgänge. Allerdings ist gerade in diesem Bereich die Unsicherheit sehr groß. Mehr als die Hälfte der saarländischen M+E-Unternehmen gibt an, dass aktuell noch gar nicht absehbar ist, wie Umsatz und Gewinn sich vor dem Hintergrund des Krieges entwickeln werden.

Während ein Großteil der Unternehmen mit russischen Kunden bereits die Exporte gestoppt hat, ist die Suche nach neuen Lieferanten deutlich schwieriger. Aus Russland, der Ukraine und Belarus kommen viele Rohstoffe und Vorleistungen, die in der deutschen M+E-Industrie weiterverarbeitet werden. Wenn diese nicht geliefert werden können, ist die gesamte Wertschöpfungskette gestört. Besonders kritisch ist die Situation bei Eisen und Stahl sowie Metallen. Zwei Drittel der Unternehmen im Saarland, die Lieferbeziehungen zu den Regionen unterhalten, sind bei Eisenerz, Roheisen und Stahl von Lieferungen aus den drei Ländern betroffen (bundesweit 63 Prozent), bei Aluminium sind es sechs von zehn (bundesweit 45 Prozent). Auch Erdöl und Erdgas werden als wichtige Zulieferprodukte genannt.

Zwei Drittel der Unternehmen, die Lieferungen aus der betroffenen Region erhalten, berichten über Engpässe. 18 Prozent deutschlandweit müssen bereits die Produktion einschränken. Kurzfristig ist auch nicht mit alternativen Lösungen zu rechnen: Knapp ein Drittel der betroffenen saarländischen Unternehmen (deutschlandweit 38 Prozent) erwartet, ausbleibende Lieferungen schwer bis überhaupt nicht ersetzen zu können. Viele Rohstoffe und Vorleistungen waren bereits vor dem Krieg auf den Weltmärkten knapp und haben sich infolgedessen nochmals massiv verteuert.

Die Probleme wirken sich auf die gesamte Branche aus: Bundesweit erwarten bereits 20 Prozent aller M+E-Firmen Beeinträchtigungen im globalen Wettbewerb, jedes dritte Unternehmen davon sogar dauerhaft. 23 Prozent sehen sich – überwiegend bei einem intensivierten Konflikt – als wirtschaftlich gefährdet an. Trotz der hohen Betroffenheit wollen die M+E-Unternehmen ihre Belegschaften weit überwiegend halten, wobei derzeit 20 Prozent mit Kurzarbeit planen müssen.

Der Außenhandel zwischen dem Saarland und Russland sowie der Ukraine bewegt sich im niedrigen, einstelligen Prozentbereich. Der Anteil russischer Importe betrug 2021 nach Angaben des Statistischen Amts des Saarlandes 2,7 Prozent, die Exporte lagen bei 1,4 Prozent des Gesamtexports. Der Außenhandel mit der Ukraine beläuft sich bei Import und Export bei jeweils 0,2 Prozent. Die Handelsbeziehungen zwischen dem Saarland und Belarus haben mit 0,09 Prozent (Export) und 0,01 Prozent (Import) minimale Bedeutung. Wegen der starken weltweiten Vernetzungen haben aber vor allem indirekte Effekte Wirkung, wenn einzelne Produkte innerhalb der Lieferketten ausfallen und nicht ersetzt werden können.

„Für die saarländischen Unternehmen ist der Russland-Ukraine-Krieg eine weitere starke Belastung“, sagt ME-Saar-Hauptgeschäftsführer Martin Schlechter. „Viele der Unternehmen sind noch von den Auswirkungen der Corona-Pandemie gefordert, nun kommen weitere Lieferprobleme hinzu, die die Produktion erneut gefährden. Trotz hoher Nachfrage und vollen Auftragsbüchern können die Unternehmen deshalb nur mit begrenzter Kapazität produzieren.“ Zusätzlichen Druck erwartet Schlechter durch die zu erwartenden Zweitrundeneffekte, wenn sich durch die hohen Energiepreise Vorprodukte erheblich verteuern und die Inflation steigt. Vor allem ein Stopp der Energielieferungen durch Russland hätte dramatische Auswirkungen auf die Industrie. Die Politik müsse vor diesem Hintergrund einen Fokus auf die Versorgungssicherheit im Energiebereich in Deutschland legen.

Trotz der schwierigen Rahmenbedingungen betont Schlechter, dass der Verband der Metall- und Elektroindustrie als wichtiger Arbeitgeberverband der saarländischen Wirtschaft die Sanktionen gegen Russland voll und ganz unterstützt. „Der Angriffskrieg Russlands auf ein demokratisches Nachbarland ist nicht zu rechtfertigen. Wirtschaftlicher Druck ist ein wichtiges Mittel in der aktuellen Auseinandersetzung mit Russland. Neben aller wirtschaftlichen Verwerfungen steht vor allem das Leid der von diesem Krieg betroffenen Menschen im Vordergrund.“

 

An der Umfrage haben im Zeitraum von 4. bis 10. März 2022 1.376 Unternehmen der Metall- und Elektro-Industrie mit 767.460 Beschäftigten teilgenommen. Das sind rund 20 Prozent aller in den Mitgliedsverbänden von Gesamtmetall organisierten Unternehmen mit 31 Prozent aller Beschäftigten in den Mitgliedsunternehmen bzw. 19 Prozent aller Beschäftigten in der M+E-Industrie insgesamt. Im Saarland haben sich 30 Unternehmen an der Umfrage beteiligt.