> Tarifrunde 2020
Verhandlungsergebnis M+E Mitte vom 26. März 2020
Ein Tarifvertrag unter dem Eindruck der Corona-Pandemie
Die Tarifvertragsparteien - die Arbeitgeberverbände der Mittelgruppe, Verband der Metall- und Elektro-Unternehmen Hessen e.V., Frankfurt am Main, vem.die arbeitgeber e.V., Koblenz, Verband der pfälzischen Metall- und Elektroindustrie e.V., Neustadt, Verband der Metall- und Elektroindustrie des Saarlandes e.V., Saarbrücken sowie die IG Metall, Bezirksleitung Mitte haben unter dem Eindruck der Corona-Krise ein der Situation angepasstes Verhandlungsergebnis vereinbart.
Kern der Vereinbarung ist, dass es keine tabellenwirksame Entgelterhöhung gibt, die die Unternehmen in der durch die Virus-Krise ausgelösten Situation zusätzlich in ihrer Liquidität belasten würde. Gleichzeitig wird eine kurze Laufzeit bis Jahresende vereinbart, um vor neuen, zeitnahen Verhandlungen die Auswirkungen der Virus-Pandemie bewerten zu können. Der Tarifvertrag tritt rückwirkend zum 23. März 2020 in Kraft und gilt bis zum 31. Dezember 2020.
Folgende weitere Punkte sind Bestandteil des Tarifvertrags
- Angesichts des flächendeckenden Bedarfs an Kurzarbeit haben die Tarifvertragsparteien vereinbart, den Tarifvertrag „Zukunft in Arbeit“ zu reaktivieren, um im Gegenzug zur Kurzarbeit Beschäftigung in den Betrieben zu sichern.
- Eltern, die wegen der Schul- und Kitaschließungen ihre Kinder zu Hause betreuen müssen und die alle weiteren Betreuungsmöglichkeiten ausgeschöpft haben, können fünf zusätzliche freie Tage in Anspruch nehmen.
- Die Tarifvertragsparteien vereinbaren, dass die bei der Bruttoentgeltumwandlung entfallenden Sozialversicherungsanteile des Arbeitgebers weiterhin nicht an die Beschäftigten weitergegeben werden müssen.
Ein Abschluss der Vernunft
Warum das aktuelle Tarifergebnis angesichts der Corona-Krise ein guter Kompromiss ist.
Entgeltstabilität bis Jahresende, Hilfen für Härtefälle bei Kurzarbeit, freie Tage für Eltern, deren Kinder wegen Schul- und Kita-Schließungen betreut werden müssen – der Tarifvertrag, den die vier M+E-Verbände Mitte mit der IG Metall Bezirk Mitte Ende März abgeschlossen haben, steht im Zeichen der Corona-Krise. Angesichts von Ausgangssperren, zahlreichen Betrieben in Kurzarbeit und einem Versammlungsverbot galt es in dieser Runde, schnell einen pragmatischen Abschluss zu finden. Einen Abschluss, der die Unternehmen in der Krise nicht zusätzlich belastet, den Arbeitnehmern aber trotzdem Sicherheit gibt. Überhaupt war es ein Abschluss mit Hindernissen: Bei den finalen Verhandlungen und den zu leistenden Unterschriften musste ein Umlaufverfahren zum Einsatz kommen, die Mitgliederversammlung von ME Saar segnete die Verträge letztlich per Telefonkonferenz ab. Ungewöhnliche Zeiten erfordern ungewöhnliche Vorgehensweisen.
Ergebnis ist eine Regelung, die den zuvor geltenden Entgelttarifvertrag ohne Tabellenerhöhung und Einmalzahlung bis Jahresende wieder in Kraft setzt. Für Mitarbeiter, die durch Kurzarbeit in soziale Nöte geraten, wird ein innerbetrieblicher Fonds eingerichtet, für den Arbeitgeber pro Vollzeitstelle 350 Euro einbringen. Und Eltern, die wegen der Schul- und Kita-Schließungen in Betreuungsnöte gekommen sind, können – nach Ausschöpfen aller weiteren Möglichkeiten – fünf zusätzliche freie Tage für die Kinderbetreuung beanspruchen.
Angesichts der früheren, von Seiten der Gewerkschaft stark konfrontativen Tarifrunden – zuletzt auch mit 24-Stunden-Streiks – lag der Arbeitgeberseite daran, stärker das Miteinander in der Sozialpartnerschaft zu betonen. Für ME Saar war klar, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer angesichts der großen Herausforderungen, vor denen die gesamte deutsche M+E-Industrie steht, zwingend an einem Strang ziehen müssen.
Die IG Metall zeigte sich grundsätzlich bereit, diesen Weg mitzugehen, stellte aber hohe Forderungen. Im Rahmen eines Moratoriums sagte sie zu, noch innerhalb der Friedenspflicht ohne Streiks Lösungen zu verhandeln. Im Gegenzug forderte sie aber aktive Mitspracherechte bei ureigenen Unternehmensentscheindungen – was die Arbeitgeberseite klar ablehnt. Und obwohl sich die Gewerkschaft öffentlich auferlegt hat, nicht mit einer bezifferten Forderung aufzutreten, standen klare finanzielle Wünsche der Arbeitnehmerseite im Raum. Letztlich fanden die Gesprächsrunden aber ohne Fahnen und Machtdemonstrationen statt.
Wegen der Corona-Pandemie musste dann eine schnelle und wenig belastende Lösung her. In einer Zeit, in der es nicht um Prozente, sondern um Existenzen geht, haben beide Seiten beschlossen, bis Jahresende mit einem schnellen Abschluss eine „Pausentaste“ zu drücken.
Was bleibt sind die Themen, die bei den nächsten Tarifverhandlungen wieder eine Rolle spielen werden. Aus Sicht der Arbeitgeber ist ein Moratorium nur dann sinnvoll, wenn es auch eine längere Laufzeit hat – also eine Tariflösung, die für mehrere Jahre Bestand hat. Und gerade für den Neustart nach der Corona-Krise muss es möglich sein, schwächere Unternehmen unter anderem durch Instrumente der Differenzierung und Variabilisierung zu entlasten, also Sonderzahlungen und tarifliche Zusatzleistungen von definierten Erfolgsfaktoren abhängig zu machen.